Warth Schroecken

Vorarlberger Drahtseil-Pakt

Der Karhorn-Klettersteig ist eines der Bergsommer-Highlights in Warth am Arlberg.

Kaum einer kennt die Region rund um Warth-Schröcken besser als Bergführer Christian Fritz. Seine Passion steckt an, auch Freunde, Gäste und Berg-Novizen. Die führt er mit Leidenschaft durch seine Bergwelt und ermöglicht ihnen auf dem Karhorn-Klettersteig den perfekten Einstieg in die Vertikale der Arlberger Felsriesen.

Karhorn Klettersteig.

Der Karhorn-Klettersteig ist eines der Bergsommer-Highlights in Warth am Arlberg.

Ab der Bergstation der Sommerbergbahn Steffisalp-Express ist der Einstieg zum Karhorn-Klettersteig in rund 45 Minuten zu Fuß erreichbar. Der Weg führt über den Ostgrat in ca. zweieinhalb Stunden (550 Höhenmeter, mit Zustieg)
oder ab hier verlängert um den anspruchsvollen Panorama-Klettersteig Westgrat (C/D, 600 Höhenmeter).

Oben angekommen kann man ein wunderbares Panorama in Richtung Bregenzerwald und Lechtal und über die Orte Warth und Lech genießen.

Der Karhorn-Klettersteig in Warth am Arlberg

Christian Fritz braucht keine Karte, um den Weg aufs Karhorn (2.416 m) zu finden. Er könnte die Tour mit verbundenen Augen gehen. Der 41-Jährige kennt jede Biegung, jeden Stein. Jede Stufe im Fels und jeden Kletterhaken zur Sicherung. Denn die hat er zum Großteil selbst verankert, als er den Klettersteig über den Westgrat angelegt hat. Klettern und Bergsport haben in seiner Familie lange Tradition und nirgends ist er glücklicher als hoch oben im Gebirge. Dort fühlt er sich frei, ist glücklich.

Zwischen Bregenzerwald, Allgäuer und Lechtaler Alpen unterwegs

Vor allem wenn er in seinen Bergen rund um Warth-Schröcken, zwischen Bregenzerwald, Allgäuer und Lechtaler Alpen unterwegs ist. Christian Fritz ist – wie auch schon sein Vater – Bergführer, Leiter einer Bergschule, Klettersteigbauer und sogar Weltmeister. Aber dazu später mehr. Er dreht sich zu Tobi um, lächelt ihm aufmunternd zu. Seine Backen glühen, mehr vor Aufregung als vor Anstrengung. Er unternimmt heute mit Christian und seinen beiden Kumpels aus Studienzeiten, Hanna und Andi, seine erste Klettersteigtour. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen auf die wackeligen Felsbrocken. Es ist gar nicht so einfach, das Geröllfeld zu überqueren. Die Steine rutschen unter seinem Gewicht weg, es ist ein ungewohntes Laufen. Nicht für Christian. Gämsengleich finden seine Füße sicheren Halt und er den Weg nach oben. Was für ihn ein Geröllfeld in den Alpen, ist für Tobi ein Schotterweg an der Isar in seiner Münchner Heimat.

Mit dem Steffisalp-Express Richtung Wartherhornsattel

Heute Morgen haben sich die drei Freunde mit Christian in Warth (1.500 m), der höchstgelegenen Gemeinde Vorarlbergs getroffen, sind mit dem Sessellift Steffisalp-Express (1.822 m) zur Bergstation gefahren und dann in einer Stunde bis zum Wartherhornattel (ca. 2.200 m) aufgestiegen. Christian packt das Klettersteigset aus und hilft Tobi beim Anlegen. Seine Freunde haben schon Erfahrung und schlüpfen routiniert ihre eigene Ausrüstung. „Klettersteige sind eine perfekte Alternative für diejenigen, denen Bergwandern zu langweilig, das freie Klettern aber zu gefährlich ist“, sagt Christian. Davon gibt es viele und der Klettersteig-Boom hält seit Jahren an. „In den Alpen gibt es rund 1.000 Eisenwege und jedes Jahr kommen 50 bis 100 neue hinzu“, so der Bergführer weiter.

Ein direkter Draht nach oben

Christians Familie hat einen besonderen Draht zu Bergen. Sein Vater Gebhard Fritz ist seit 1979 Bergführer, sein Bruder Mathias seit 2017. „Bergfreunde sind bei uns häufig zu Gast, denn wir können sie bezüglich der Tourenplanung bestens beraten und hin und wieder führen wir auch unsere Gäste.“ Man muss wissen, dass Familie Fritz in Warth ein kleines Garni führt. Der 41-Jährige schmunzelt. So war es sein Vater, seiner Zeit Bürgermeister von Warth, der 2001 die Idee des Karhorn-Klettersteigs ins Rollen brachte. „Es war damals einer der ersten Klettersteige in Vorarlberg. 2009 haben wir den Westgrat erschlossen und so quasi einen zweiten Teil hinzugefügt. 2020 wurde dann der Normalweg abgesichert. Heute erfreuen sich die drei Steige großer Beliebtheit und gehören zu den schönsten Klettersteig-Erlebnissen der Region.“ Wieder blitzen seine Augen leidenschaftlich. Das beste aber ist: Da es drei unterschiedliche Wege auf den Gipfel gibt, kann jeder die für sich passende Route auswählen.

„Konzentriere dich und klettere in deinem Tempo“

Tobis Herz hämmert in den Ohren. Seine Freunde geben sich souverän. Sie haben den Ostgrat erreicht. 900 Meter tiefer hat sich linkerhand der wilde Lech ins Tal gegraben. Rechts sind es 600 Meter hinab zum Hochtannbergpass. Eine Hand krallt das Stahlseil, die andere einen Felsdorn. Wie einen Steuerknüppel. Doch anstatt Gas zu geben, hält Tobi inne. Kalt und fremd fühlt sich der Stein unter seinen Händen an. Bombenfest, aber nicht wirklich vertrauenserweckend. Es riecht nach Moos und feuchter Erde. Tatsächlich war er der Natur noch nie so nahe wie jetzt. Die gähnende Leere unter seinen Füßen lässt ihn das Stahlseil immer fester umklammern. Zittrig atmet er ein und aus. „Du musst Dir vertrauen“, ruft ihm Christian zu. „Konzentriere dich und klettere in deinem Tempo.“ Als Tobi die luftige Schlüsselstelle überwunden hat und sich Erleichterung in seinem Gesicht breit macht scherzt Christian:„Deine Sicherung hält mehrere Tonnen. Sie sollte sogar dich halten!“ Tobi quält sich ein Lächeln aus dem Gesicht.

Immer weiter schreitet das Quartett über den scharfen Grat, umgeben von hochalpinem Gelände. Mit Sicherheit ein Ort, den man mit begrenzten bergsteigerischen Fähigkeiten nicht alleine erkunden sollte. Besonnen und zielsicher setzt Christian seinen Weg fort. Mal scheint der Gipfel des Karhorns zum Greifen nahe, dann entzieht er sich wieder den Blicken. Klack-Klack. Klack-Klack. Das Klicken der Karabiner ins Stahlseil gleicht einer monotonen Melodie, der es aber an Dramatik nicht fehlt. Auch wenn man für diese Route keine komplizierten Klettertechniken beherrschen müssen und der Hüftgurt im Notfall den Sturz ins Leere auffangen würde, ist die Tour ein Nervenkitzel. Das bestätigt ein kurzer Blick nach unten. Da ist viel, viel Luft unter den Füßen. Tobis Atem beschleunigt sich wieder. Er atmet tief ein und aus, wie es Christian ihm gesagt hat. „Alles kein Problem, wenn man mit einem Profi unterwegs ist“, meint Hanna. Und Tobi bemüht sich um Souveränität…

  • Karhorn Klettersteig

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Unterwegs mit einem Weltmeister

Und ein Profi ist Christian. Er kennt nicht nur die Vorarlberger Gipfel, sondern war schon in der ganzen Welt unterwegs. Er gehört noch zu den echten Alpinisten, ein Berg-Allrounder, dem – ob mit Ski oder zu Fuß – kein Gipfel zu weit ist. „Zu meinen persönlichen Highlights gehören meine Erstbefahrungen in Südamerika und die Abfahrt vom 6.190 Meter hohen Denali in Alaska, einem der Seven Summits“, sagt Christian. Und, er ist sogar ein Weltmeister. Besser gesagt der Bergführer-Weltmeister 2012. Jedes Jahr treten bei internationalen Wettkämpfen Bergführer aus aller Welt und in den unterschiedlichen Disziplinen gegeneinander an. „Ich war damals gut trainiert und gewann das Skirennen. Aber das sagt eigentlich nicht besonders viel über die vielen Fähigkeiten aus, die ein guter Bergführer mitbringen muss.“

So sehr es Christian Fritz raus auf die Berge der Welt zieht, so gerne kommt er immer wieder zurück nach Hause. „Unsere Berge sind für mich nicht nur ein Geschenk der Natur, sondern sie sind Betätigungsfeld, Energiespender, Ideengeber und machen mich einfach zutiefst glücklich. Das ist mir viel wert und auch ein Grund, warum wir schon so lange und gerne hier leben.“ Rund um die kleinen, idyllischen Walserdörfer Warth und Schröcken ist Outdoor-technisch gesehen fast alles möglich. Eine besondere Herausforderung der Region sind die so genannten Outdoor BIG5 – Wildwasserschwimmen, Canyoning, Flying Fox, Abenteuerpark und eben dieser Karhorn-Klettersteig.

Die ruhige Seite des Arlbergs rund um Warth-Schröcken

Das Angebot schätzen aber nicht nur Einheimische wie Christian. Aktivurlauber und Bergfexe besuchen sommers wie winters die ruhige Seite des Arlbergs rund um Warth-Schröcken. Schweizer, Deutsche und Österreicher – sie alle schätzen das Lebensgefühl fernab von Massentourismus und Berg-Tamtam. Die Region hat sich zu einem beliebten Alpen-Abenteuerspielplatz für jedes Genre etabliert, ohne dabei seine Authentizität zu verlieren. Der Fluss Bregenzerach hat in Jahrtausende dauernder Feinarbeit tiefe Schluchten geschaffen, durch die er heute johlende Canyoning-Touristen spült. Wer es lieber trocken mag, schnürt die Wanderschuhe oder hängt sich ans Kletterseil. Und rückt der Bergwelt eben zu Fuß auf die Pelle.

„An schönen Sommertagen sind hier bis zu 200 Klettersteiggeher unterwegs, darunter auch viele Anfänger“, erzählt der Bergführer weiter. Und die bereiten ihm immer wieder Kopfzerbrechen. „Wenn erschöpfte oder verzweifelte Leute nicht mehr weiterkommen, müssen wir mit der Bergrettung ausrücken und sie in Sicherheit bringen.“ Geschichten hat er viele erlebt. Auch mit seinen Gästen. Einer zum Beispiel hat mal im Steig seine Schuhsolen verloren und ist dann barfuß weitergelaufen.

Wenig Worte, große Wirkung

Tobi beobachtet Christian genau. Folgt ihm beharrlich von einer Felsspitze zur anderen. Immer wieder merkt er, wie sich seine Finger im Fels verkrallen, wie seine Beine anfangen zu zittern. Dann bleibt er kurz stehen und atmet tief ein und aus. „Ist das nicht großartig?“ hört er Christian sagen. Für Tobi die pure Ironie. Immer wieder ruft ihm Christian aufmunternd zu „Du schaffst das!“ oder „Bleib dicht am Fels“ und „Gewicht auf beide Füße“. Er ist kein Mann vieler Worte, aber wenn er redet, dann findet er die richtigen. Langsam löst sich Tobis Anspannung und schließlich trägt eine kühle Brise den letzten Rest davon. Der Fels fordert Tobis ganze Konzentration. Da bleibt kein Platz für Problemewälzen oder Gedankenschleifen. Es ist ein Sein im Jetzt, losgelöst von alltäglichem Ballast. Tobi fühlt sich leicht. Er spürt, wie sich eine große Zufriedenheit in ihm ausbreitet.

Mit Blick über ein wildes Gipfelmeer

Unten im Tal bimmeln die Kuhglocken, Geräusche aus einer sehr fernen Welt. Tobi hat den Sinn für Zeit vergessen. Umso überraschter ist er, als er zu Christian hochschaut und ein „G´schafft!“ hört. Unglaublich. Sie stehen am Gipfelkreuz. Spektakulär ist der Blick über ein wildes Gipfelmeer, imposant ist die Aussicht in die Tiefe. Richtung Norden lässt sich der Grenzverlauf zwischen Österreich und Deutschland erkennen. Ein Gefühl aus Freude und Demut, Erleichterung und Stolz macht sich breit. So ohne war die Tour nicht.

Christian nickt. „Schwierigkeitsgrat B, teilweise sogar C“, so sei die Klassifizierung am Ostgrat. „Auch wenn teilweise recht große Stufen und Tritte da sind, sollten Anfänger diese Tour nie allein machen.“ Wer sich fit genug fühlt, wählt den Abstieg über den Westgrat, den Teil, den er mit zwei Kollegen eingerichtet hat. „Die ersten paar hundert Meter sind teilweise ausgesetzt und sehr luftig, eine Gratkraxelei vom feinsten. Zu den Highlights gehören zwei Mini-Seilbrücken.“ Hört sich spannenden an, denkt sich Tobi, ist aber froh, dass Christian den Abstieg über den Normalweg wählt. Es ziehen Wolken auf und… sicher ist sicher. „Gut runter kommen ist immer mehr wert, und ein guter Grund nach Warth-Schröcken zurückzukommen.“

Bergführer /Alpinschulen:

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