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Der Körbersee eingebettet in herbstlicher Landschaft mit dem Widderstein und der Höferspitze im Hintergrund.

Zwischen Herbst und Winter am Hochtannbergpass.

Ein Berggrat in herbstlicher Stimmung mit weiteren Bergketten im Hintergrund.
Man könnte fast meinen alles käme zur Ruh, wenn das bronzefarbene Gras flach auf den Hängen liegt, es die Sonne nur noch eine Handbreit über das Karhorn schafft. Lange Schatten. Geschlossene Berghütten. Die Ruhe aber, sie ist trügerisch. Denn für die umtriebigen Menschen am Hochtannbergpass beginnt nun eine ganz besondere Jahreszeit. Irgendwo zwischen Herbst und Winter. Zwischen Ruhe und Hochsaison. Und tatsächlich: Die ersten Flocken sind gerade erst gefallen!
Ein Mann der am herbstlichen Ufer des Körbersees steht und ein Foto mit dem Handy macht.
Warth und Schröcken am Hochtannbergpass. Noch herrscht Nebensaison in Vorarlberg, auf 1679 Metern. Hier sind wir unterwegs, um Ausblicke und Wanderwege zu genießen. Um Ruhe und Erholung zu finden. Und um die Menschen dieser Bergregion zu treffen. 394 Seelen fassen die beiden Gemeinden – zusammengerechnet. Jede mit ihrem ganz eigenen Charme, ihrer eigenen Philosophie.
Eine alte Aufnahme der Simmekapelle im Sommer, mit einer Bergkette im Hintergrund.

Simmelkapelle.

Zwischen den beiden Örtchen, auf der Passhöhe, liegt die kleine Simmelkapelle. Nun schon seit 500 Jahren steht hier oben, an diesem abgelegenen Ort ein Kirchlein. Bis Ende des 19. Jahrhunderts lebten sogar zwölf Familien in der Hochkrumbach genannten Gemeinde. Ein schweres Leben. Eines Winters, es muss bitterkalt gewesen sein, da mussten die Einwohner sogar die wenigen Kappellenbänke dem wärmenden Feuer opfern. Diese Zeiten sind glücklicherweise schon lange vorbei. Heute steht ein modernes Hotel an diesem Ort. Als Startpunkt für wunderbare Wanderungen und Bergtouren wird der Hochtannbergpass gerne genutzt. Und im Winter findet sich hier der nördlichste Ausläufer des größten Skigebiets Österreichs. Ski Arlberg. 300 Pistenkilometer, verbunden mit mehr als 85 Bahnen und Liften. Und dazwischen 200 unpräparierte Tiefschnee-Abfahrten. Das Freeride-Eldorado der Alpen.
Das Wetlfriedenskreuz am Simmel mit herbstlicher Landschaft im Vordergrund, blaumen Himmel im Hintergrund und zwei Wanderern, die gerade zum Kreuz wandern.

Weltfriedenskreuz am Simmel.

Ein Ort der Hoffnung und des Friedens ist der Hochtannbergpass dennoch über all die Jahre geblieben. Eines von weltweit nur wenigen Weltfriedenskreuzen steht gut sichtbar auf dem Simmel, einer 1754 Meter hohen Geländekuppe. Ein Kraftplatz. Ein mahnendes Monument, das zum Nachdenken anreget. Eine Art Frieden tragen aber auch die Menschen, die östlich und westlich dieses Bergpasses leben in sich. Hier scheint jeder seinen Platz gefunden zu haben. In Warth, aber auch in Schröcken. Ein wohltuender Pragmatismus trifft hier auf gleich zwei Uhren: Eine längst vergangene, deren Zeiger stillzustehen scheinen. Aber auch eine kraftvolle Moderne, die keine Wünsche offenlässt und strebsam in die Zukunft tickt.
Zwei Wanderer und ein Hund, die über eine herbstliche Almwiese wandern und vor ihnen thront in der Entfernung die Braunarlspitze mit ein paar letzten Schneefeldern.
Zwei Männer, die miteinander sprechen.

Persönlichkeiten aus Warth-Schröcken.

Da ist zum Beispiel Herbert Ritter, der nun schon seit über 60 Jahren den Skibus hier herauffährt. Oder Patrik Marinelli, der hier oben das Hotel Adler betreibt, aber auch beim Roten Kreuz als First Responder sowie neuerdings auch als Flugretter bei Unfällen von Gästen und Einheimischen im Einsatz ist. Wir treffen zwischen Warth und Schröcken auf einen Bürgermeister, der im Winter auch als Sprengmeister tätig ist. Auf eine einmalige Olympia-Gold-Gewinner-Familie. Und auf Menschen, die in dieser Bergnatur ihren Arbeitsplatz gefunden haben. Als Wanderführer. Als Skilehrer. Oder als Wanderführer und Skilehrer. Denn eines ist klar: Die schier endlose Kreativität, die Motivation und Philosophie der Menschen, hat diese Region zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Ort, an dem man gerne Zeit verbringt.

Familie Schwarzmann.

Ein Porträt von Jakob Schwarzmann.

Jakob Schwarzmann.

Nähert man sich von Westen, vom Bregenzerwald dem Hochtannbergpass, so durchfährt man die Gemeinde Schoppernau. Von da an steilt das Gelände auf: Schröcken lieg mehr als 400 Meter über Schoppernau – aber noch immer 500 Meter unter dem Weltfriedenskreuz auf dem markanten Simmel. Eine 4****-Berghütte soll es hier geben. Im Sommer 2022 öffnete diese erstmals ihre Türen. Für Wanderer. Für Skifahrer. Für Familien, Genießer und Naturfreunde. Eben ein bisschen für alle. Das Berghaus Schröcken.
Noch ist Wanderführer Andi im Haus. Er zeigt Gästen nur zu gern die Natur vor der Berghaustür. Jakob und Paul aber stehen schon in den Startlöchern. „Wir sind leidenschaftliche Skifahrer. Gerne auch abseits der Pisten, im Tiefschnee. Dafür sind die Nordhänge in dieser Region berühmt. Und wenn es die Zeit erlaubt, sind wir auch als staatlich geprüfte Skilehrer unterwegs.“

Andi Tomann.

Ein Porträt von Andi Tomann, wie er in der Wiese sitzt und hinter ihm noch eine Bergkette zu erkennen ist. Neben ihm sitzt sein Hund.
Eigentlich ist Andi lieber schneller unterwegs. Als Trailrunner in den heimischen Bergen. Beispielsweise im Rahmen der Seven Summits Tour Schröcken. Eine Wohltätigkeitsveranstaltung der besonderen Art. Sieben Gipfel. 48 Kilometer. 4300 Höhenmeter. Am Stück versteht sich. Starke neun Stunden war Andi unterwegs, bis er dieses Ziel erreichte. Eine herausragende Leistung! Die Liebe zum Sport bringt aber auch mit, dass Andi hier jeden Weg kennt – egal wie lange er auch ist.

Stefan Strolz.

Ein Porträt vom Warther Bürgermeister Stefan Strolz.
Wir haben den Hochtannbergpass in Richtung Osten überfahren. Vorbei am Simmel und wieder bergab, direkt in die Gemeinde Warth. Der Winter scheint nun tatsächlich nicht mehr fern. Die letzten Vorbereitungen laufen. Bald wird hier wieder Ski gefahren. Dann beginnt auch wieder für Stefan Strolz eine besondere Zeit. Er ist Bürgermeister der zweitkleinsten Gemeinde Vorarlbergs – übrigens direkt gefolgt von Schröcken.
Hier kennt jeder jeden, was das Bürgermeistersein nicht unbedingt einfacher macht. Gut möglich, dass das Foto einer defekten Straßenbeleuchtung direkt auf das Handy des Gemeindevorstehers geschickt wird. Humorvoll nimmt er es hin. Nun schon seit zwölf Jahren.

„Mein Ziel ist es, die Gemeinde so weiterzuführen, wie wir sie von unseren Eltern übergeben bekamen. Dabei ist die Wertschätzung sehr wichtig, gerade in der heutigen Zeit. Das bedeutet auch, dass wir mit der Zeit gehen."

Stefan Strolz ist aber nicht nur als Büger-, sondern quasi auch noch als Sprengmeister aktiv. Richtig gehört: Als Chef der Lawinenkommission sitzt Strolz selbst im Helikopter, um mit gezielt abgeworfenen Sprengsätzen kontrollierte Lawinen abgehen zu lassen.

Patrik Marinelli.

Ein Porträt von Patrik Marinelli.
Nicht weit von dem Ort, an dem die Lawine das Tal erreichte, treffen wir auf Patrik Marinelli. 32 Jahre ist der Hotelier jung, führt das Haus bereits in vierter Generation. Einmalig ist die Lage allemal, aber auch die Geschichte des Hauses.

Hubert Strolz & Herbert Ritter.

Wenn der Schnee wieder meterhoch liegt, ist aber auch wieder die Zeit für Hubert Strolz und Herbert Ritter gekommen. Beide sind hier bekannt wie bunte Hunde – jeder auf seine eigene Art.

Ein Porträt vom Skibusfahrer Herbert Ritter.

Herbert Ritter.

Herbert Ritter fährt den Skibus am Hochtannbergpass – nun schon seit 60 Jahren. Mit ulkigem Humor und Engelsgeduld. 32 Pferdestärken waren dafür ausreichend, vor sechs Jahrzehnten. Einen Schneepflug improvisierte man damals ganz schlicht, mit einer eigenwilligen Montageidee, direkt an der Vorderachse des Kleinbusses. Vorsicht war da geboten! Sicher aber brachte bisher Ritter noch alle Fahrgäste ans Ziel. Selbst im Winter 66, als die Schneeverwehungen mehr als acht Meter hochragten. Um die Wintersportler damals vor den Schneemassen in Sicherheit zu bringen, quetschte er mehr als zwanzig Menschen in das Fahrzeug. Ritter aber behielt in diesen dramatischen Momenten die Ruhe – und behält sie auch noch heute. Unfallfrei. Ein Leben lang. Sogar schon jede Menge Prominenz beförderte die fahrende Legende. Caroline von Hannover, die Prinzessin von Monaco beispielsweise. Oder einen Fürst von Liechtenstein, der verdutzt hereingeschaut haben dürfte, als sich der Busfahrer ihm gegenüber kurzerhand als Ritter von Schröcken vorstellte.
Ein Porträt von Olympiasieger Hubert Strolz.

Hubert Strolz.

Hubert Strolz treffen wir am Abend. Wer die Augen offenhält, findet ihn mit etwas Glück aber auch auf den Pisten der Region. Oder auf einem der vielen Plakate, wo der Vater gemeinsam mit Sohn Johannes die Medaillen glänzen lässt. 1988 im kanadischen Calgary. Ausnahmeskifahrer Hubert Strolz gewinnt Olympiagold in der Kombination. Ob es am Jamaika-Aufenthalt, nur eine Woche vor den Olympischen Spielen gelegen habe? Ganz sicher ist sich Strolz da nicht. Aber eine gute Idee war es allemal. Um den Kopf freizubekommen. Um die Akkus zu laden. Der Kontrast daraufhin allerdings sei knallhart gewesen, erinnert er sich im Gespräch. Eiskalt. Staubtrocken. Glückliche Umstände, denn das gesamte Team war auf derartige Verhältnisse eingestellt.
Ganz Warth feierte diesen Gold-Moment, nicht ahnend, dass die Familie Strolz selbst das noch toppen wird.
34 Jahre nach Calgary gewinnt Huberts Sohn Johannes Olympiagold. In der selben Disziplin. Einmalig. Vater und Sohn. Kann es schöneres Doppelgold geben?

Autor: Benni Sauer | ALPSTYLE Magazin

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